Ein Oldie erzählt: Der Silberfuchs

So nannte man bei der Schweizerischen Reederei AG unter vorgehaltener Hand den CEO, Dr. Nicolas Jaquet. 1922 trat er als Ökonom in die Dienste der Schweizerischen Schleppschifffahrts-Genossenschaft. Danach legte er eine Blitzkarriere ein; 1923 Prokurist, 1925 Direktor, 1945 leitender Direktor und von 1957 bis 1968 Delegierter des Verwaltungsrates. Bei der Armee bekleidete er den Rang eines Oberst; er kommandierte das Basler Infanterie-Regiment 22. Für ein berufliches Weiterkommen bei der SR war es von Vorteil, Offizier oder zumindest höherer Unteroffizier zu sein.

In der Wahrnehmung des Schreibenden kam er in der Hierarchie gleich nach dem lieben Gott. Ein einziges Mal hatte ich Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Das kam so: An einem Samstagvormittag im Jahr 1963 sass ich allein in der Dispositionszentrale. Mein Chef, Erwin Lehmann (Adjutant-Unteroffzier), war an der täglichen Sitzung der Hafen-Abteilungsleiter. Telefone und Fernschreiber blieben stumm. Also nutzte ich die cheflose Zeit, einen Jerry-Cotton-Krimi zu lesen. Plötzlich ging die Tür auf und der leibhaftige Silberfuchs trat herein mit der Frage: «Wo isch dr Herr Lehmann?» Meine Antwort quittierte er mit einem zackigen: «Guet – guet» und zog von dannen. Als der Chef zurückkehrte sagte er: «Dr Jaquet Isch do gsi und Sie hän Heftli gläse?!». Ich erntete ein ungläubiges Kopfschütteln. Das grosse Donnerwetter jedoch blieb aus.

Nach meinem Stellenantritt bei der Cisalpina Tankreederei AG im Spätsommer 1965 sass ich eines Tages im Büro meines neuen Chefs, Karl Blanckarts (Oberleutnant), als das Telefon läutete. Er nahm ab und meldete sich mit einem lässigen «Jä, Blanckarts». Darauf verkrampfte sich seine Mine, er sprang auf, nahm Haltung an und sagte «Dag Herr Doggder, Jäwoll Herr Doggder, sälbverschtändlig Herr Doggder, Adie Herr Doggder». Salutiert hat er zwar nicht, aber beim Absitzen kam ein erklärendes «Puh, dasch dr Jaquet gsi».

Urs Vogelbacher