Die unterstützende Rolle des Bundes beim Verkehrsträger Binnenschifffahrt wird sich in Zukunft verstärken. Dies versicherte Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV) , an einer Veranstaltung der Parlamentarischen Gruppe Schifffahrt; die Ausgestaltung dieser Unterstützung sei aber noch offen, und diese Fragen würden mit der Behandlung der Motion Herzog geklärt. Andrea Grisard, Verwaltungsratspräsidentin der Ultra-Brag AG, betonte an derselben Veranstaltung ebenfalls die Notwendigkeit einer solchen Unterstützung, ohne die etwa die Haltung von Pflichtläger nicht kostendeckend betrieben werden könne.
Die Motion der Basler Ständerätin Eva Herzog, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, eine Konzeption für die zukünftige Förderung des Gütertransports auf dem Rhein vorzulegen, ist dem BAV durchaus willkommen, erklärte dessen Direktor. Heute sei vieles im diffusen, Kompetenzen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Bundes beim Gütertransport wären historisch gewachsen und alles andere als systematisch festgelegt: «Der Moment ist sicher nicht schlecht, sich da mal grundsätzlich Gedanken zu machen.»
Füglistaler verwahrte sich aber gegen den Vorwurf, der Bund sei bisher untätig geblieben: «Wir machen nicht nichts!» Der Bund sei zwar nicht Eigner, leiste jedoch signifikante finanzielle Unterstützung via Leistungsvereinbarungen an die Hafenbahn als öffentliche Eisenbahninfrastruktur. Er unterstütze Güterverkehrsanlagen wie Anschlussgleise im Hafen und beteilige sich auch finanziell am geplanten Hafenbecken III in Basel-Kleinhüningen.
Vieles ist historisch gewachsen
Eher einem Zustand von vor 50-100 Jahren gleiche die Verteilung der hoheitlichen Aufgaben. So seien Verkehrsüberwachung und Schiffsregistrierung, Abnahme und Prüfung von Patenten und einiges mehr an die Schweizerischen Rheinhäfen delegiert. Ob dies heute noch immer so richtig sei, dürfe durchaus einmal analysiert werden. Dazu arbeite der Bund heute in verschiedenen Arbeitsgruppen und Ausschüssen der ZKR mit.
Geklärt werden müsse auch die Rolle der Rheinschifffahrt mit Blick auf die Landesversorgung und die Pflichtlagerhaltung sowie die Frage der Investitionsbeiträge für Umschlagsund Logistikeinrichtungen im Hafen. Und schliesslich gehe es um die finanzielle Unterstützung von Pilotprojekten mit technischen Neuerungen in der Rheinschifffahrt (Forschungsprojekte zu Automatisierung, alternative Antriebe u. ä.). Auch die rechtlichen Grundlagen für Investitionsbeiträge für die Umrüstung auf klimafreundliche Antriebsmittel gehören zu diesem Fragenkomplex, wobei Füglistaler hier ein heikles Thema ansprach: «Dass die Mannheimer Akte die Steuerfreiheit der Schifffahrt auf dem Rhein enthält, ist ja schön und gut. Damals im 19. Jahrhundert waren aber die prohibitiven Steuern gewisser Landesfürsten im Blick. Ob die Erhebung von Umweltabgaben nicht trotzdem möglich wären, muss zumindest untersucht werden.»
Schliesslich sollen auch die international abgestimmten Massnahmen für eine nachhaltige, zuverlässige Nutzung des Rheins für den Gütertransport definiert werden, was etwa die Stichworte Klimawandel und Umgang mit Niederwasserperioden umfasst.
Auf diesen Punkt hatte schon die Motionärin und Co-Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Schifffahrt, Eva Herzog, hingewiesen: «Wir brauchen ausreichende Infrastrukturen landseitig, denn der Rhein hat noch grosse Kapazitäten und kennt keinen Stau. Was nützt das aber, wenn die modernen Terminals fehlen, um die Ladungen entgegenzunehmen respektive zu verschiffen? Wir brauchen – gerade im Hinblick auf die Klimaveränderungen – genügend Wasser unter dem Kiel, also Austiefungen. Und wir brauchen Schiffe, die mit weniger Treibstoff und mit alternativen Antriebsstoffen noch ökologischer fahren. Die EU wird solche neuen Schiffe fördern. Da wir bekanntlich nicht in der EU sind, muss ein eigenes Förderprogramm aufgestellt werden.» Co-Präsident und Nationalrat Jon Pult sieht gerade im Verhältnis zur EU einen kritischen Punkt: «Wir müssen hier zu einer Lösung kommen.»
Der BAV-Direktor sieht das weitgehend genauso: «Es wurden immer grössere Schiffe gebaut, und nun geht ihnen das Wasser unter dem Kiel aus. Wir müssen untersuchen, wo der Bund helfen kann. Diese Probleme sind aber nicht auf die Schweiz beschränkt. Dringlich ist deshalb auch ein geordnetes Verhältnis zur EU.»
Dringlich ist für Andrea Grisard aber auch, dass der Bund die Rolle der Güterschifffahrt nicht nur anerkennt und lobt, sondern dass er sie auch korrekt abgilt.Über die Schweizerischen Rheinhäfen erfolgten pro Jahr Importe von rund 450'000 t Getreide. Knapp die Hälfte der Lagerkapazitäten von 330'000 t seien Pflichtlager. «Die Problematik besteht darin, dass die Pflichtlagerentschädigung nicht ausreicht, um die Betriebskosten unserer Silos zu decken und diese betriebswirtschaftlich betreiben zu können. Wir verdienen primär am
Umschlag, nicht an der Lagerung.» Es liegt laut Grisard darum im Interesse aller, dass die Hafenbranche auch weiterhin genügend Lagerkapazitäten zur Verfügung stellen und auf diese Weise der Landesversorgung dienen könne. Gerade in der jetzigen Situation mit dem UkraineKrieg erhalte dieses Thema zusätzliche Brisanz, gehörten doch die Ukraine wie Russland zu den grössten Exporteuren von Getreide und Futtermittel. Grisards warnt: «Ohne gedeckte Betriebskosten wird in Zukunft aber niemand mehr in Silo-Infrastruktur investieren wollen.» Die Investitions-Unlust bestehe aber auch beim Schiffsraum, der darum knapp sei: «Niemand will in teure Schiffe investieren, solange so schwierig einzuschätzen sei, welche Antriebstechnik sich durchsetzen wird.».
Dazu kommt laut Grisard noch die Deindustrialisierung der Schweiz, die zu Veränderungen bei den Warenströmen führe: «Früher durften wir für 23 Papierfabriken Zellulose umschlagen. Heute ist es gerade noch eine.» Dies führe zur Notwendigkeit von kostenintensiven Anpassungen der Hafeninfrastrukturen mit mehr Platz für Container und weniger für den Umschlag von Industriegütern wie etwa Maschinen.
Als weitere Schwierigkeit nannte Grisard die Disruptionen entlang der globalen Logistikkette. Es komme zu Überlastungen in den Seehäfen mit enormen Wartezeiten für die Binnenschiffe, Fehlfrachten, zusätzlichen Stopps und Verlängerung der Transportzeiten. All dies bringt massive Kostenfolgen für die Binnenschifffahrt mit sich. Und schliesslich schreitet auch der Ausbau der Häfen in der nahen Grenzregion voran, hier spielten tiefere Baurechtszinsen und günstigere Betriebskosten eine Rolle. Problematisch sei, dass dort die Bahnanschlüsse fehlten und die Ladungen dann mit Lkw in die Schweiz laden zu werden. Grisards Fazit: «Für uns ist es wichtig, dass wird mit gleich langen Ellen wie die Bahn arbeiten können.»